Wunder vergehenGedenkseite Lukas Jansen
Ich erinnere mich noch gut, wie ich kurz vor Weihnachten zu einer guten Bekannten sagte, ich wäre froh, wenn das neue Jahr da ist, das alte wäre ein schlimmes gewesen und schlimmer könne es ja nun nicht mehr kommen … Der Start in diesen chaotischen Montag, den 12.01.2004, ließ schon nichts Gutes ahnen. Meine kleine Tochter und mein Baby hatten einen grippalen Infekt, und auch Lukas kränkelte schon seit Silvester. So kam es, dass ich auch Thomas nicht in den Kindergarten schickte. Eine Entscheidung, die ich wohl noch viele Jahre hinterfragen werde … Was wäre gewesen, wenn ich ihn geschickt hätte ...? Es war etwa 11.20 Uhr, als ich unsere kleine Sophie fütterte. Thomas spielte auf dem Wohnzimmerboden mit Katharinas Puppe „Mein Model“, die diese erst zu Weihnachten bekommen hatte. Da ich wusste, dass Kathi gleich aus der Schule kommen und ausrasten würde, wenn sie Thomas mit der Puppe spielen sah, bat ich ihn, die Sachen zusammen zu packen. Beiläufig registrierte ich noch, dass Thomas sich etwas in die Hosentasche steckte. Ich ging davon aus, er hätte sich einen Lippenstift gemopst, als er auch schon hoch zu den Kinderzimmern ging. (Hätte ich nur die Sekunde geopfert, um nachzuschauen, was er sich eingesteckt hatte ...) Um etwa 12.35 Uhr waren meine beiden Abc-Schützen zu Hause und erzählten gleich munter drauf los – ich fütterte immer noch unser kränkelndes Baby, als wir oben Thomas und Lukas weinen hörten. Nichts Schlimmes ahnend schickte ich unseren Stefan hoch, um nach den vermeintlichen Streithähnen zu sehen. Dieser kam auch in einer Seelenruhe wieder runter und meinte, die Tür wäre verschlossen und alles wäre voller Qualm. Mein Kopf war leer, nur Panik – ich bin ganz sicher, ich habe nichts gedacht. Ich rannte die Treppe hoch, immer gleich mehrere Stufen auf einmal nehmend, der Qualm wurde immer durchdringender. Vor der Kinderzimmertür war es dann schon unglaublich heiß, ich hatte nur noch Angst. Ich hörte Thomas und Lukas schreien – einfach nur in Panik schreien, und konnte die Tür nicht öffnen. Ich warf mich gegen die Tür, einmal, noch einmal, doch sie öffnete sich nicht. In Panik überlegte ich, dass es zu spät sein würde, wenn die Feuerwehr käme. Die Wärmeentwicklung war vor der Tür schon unerträglich. Irgendwann gelang es mir, die Tür zu öffnen. Es war dunkel (die Rollos waren geschlossen, weil Lukas schlafen sollte), beißender Qualm, riesige Flammen - orange und irgendwie auch grün. Es war heiß, mit drei Schritten war ich am Bett, das lichterloh brannte. Mein Kleiner streckte mir weinend die Arme entgegen. Ich riss ihn hoch und rannte mit ihm runter (später erzählt mir Thomas, dass ich auch ihn auf meinen Armen mit hinunter trug – ich erinnere mich nicht). Im Wohnzimmer warteten die anderen Kinder (nur der Älteste war noch in der Schule). Keiner von ihnen hatte Schuhe an und so protestierten sie zunächst, als ich sie raus auf die Straße schickte. Mit einem nassen Tuch vorm Mund ging ich noch mal hoch – glaubte noch ernsthaft, es wäre alles halb so wild und wir bräuchten keine Feuerwehr … Doch kaum, dass ich die Tür wieder geöffnet hatte, wurde mir bewusst, dass sich das Feuer bereits viel zu sehr ausgebreitet und ich keine Chance hatte, es selber zu löschen. Ich lief runter und rief die Feuerwehr an. Nach ewigen Klingelzeichen meldete sich dort tatsächlich jemand und fragte: „Brennt es richtig? Oder nur eine kleine Ecke? Eine kleine Stichflamme?“ Ich schrie ziemlich laut und äußerst wütend in den Hörer: „Es brennt – ich kann nichts mehr sehen, überall sind Flammen und Rauch!“ Meine Stimme war schrill und trotzdem glaubte ich noch, alles wird gut – die Kids sind draußen und die Feuerwehr ist verständigt … Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich raus und klingelte bei meiner Nachbarin Sturm. Als sie öffnete, antwortete ich ihr nur, bei uns brennt es und schob die Kinder zu ihr ins Haus. Wieder lief ich hoch, will was retten, um wieder festzustellen, dass ich es nicht kann. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich Lukas aus dem lichterloh brennenden Bettchen gehoben hatte – und er verletzt sein musste … Wieder klingelte ich wie eine Besessene an der Tür unserer Nachbarin. Als sie öffnete, fragte ich sie, ob alle okay seien oder ob jemand verletzt wäre. Sie meinte, es wären alle in Ordnung – hätten nur Angst. Doch keiner weinte mehr. Lukas` Beine sind leicht rot, nicht feuerrot, aber doch rot, und am rechten Füßchen, das könnte eine Blase geben … Jetzt erst orderten wir einen Notarzt hinterher. An die Möglichkeit, dass jemand verletzt sein könnte, hatten wir nicht gedacht. Erst viele Tage später fiel mir auf, dass in unserer Panik auch weder ich noch meine Nachbarin daran gedacht hatten, Lukas gleich zu kühlen – das, woran jede Mutter noch als erstes denkt, solange sich ihr Kind „ nur“ am Herd, Bügeleisen etc. verbrennt. In der Notaufnahme angekommen, kam bald schon Dr. G., der Verbrennungschirurg, der Lukas versorgt hatte, und erklärte mir, dem Kleinen ginge es den Umständen entsprechend gut. Er hätte etwa 20% der Hautoberfläche 2. Grades verbrannt. Das meiste wäre 2a, ganz wenig nur 2b. Lukas wäre intubiert und sediert auf der Kinderintensivstation, ich könne ihn sehen, sobald ich selbst versorgt wäre. Thomas kam mit einem leichten Inhalationstrauma auf die Kleinkinderstation, ich selber verzichtete auf eigene Verantwortung auf eine stationäre Aufnahme, um bei den Kindern zu sein.
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